Videoüberwachung am Arbeitsplatzgibt immer wieder Anlass zu Diskussionen. Das Bundesgericht hatte zu entscheiden, ob polizeilich angeordnete Videoaufnahmen in den Geschäftsräumen eines Unternehmens als Beweise verwertbar sind. Lesen Sie die Details in diesem Newsletter.

Muss ein privater Grundeigentümerdie Kosten für die Räumung morscher Bäume übernehmen, wenn das Holz von seinem Grundstück auf eine öffentliche Strasse fällt?

Der Kinderabzugfür volljährige Kinder in Ausbildungwar bis anhin unklar definiert. Das Bundesgerich schafft nun Klarheit.

Dies und vieles mehr in unserer September-Ausgabe. Viel Spass beim Durchlesen.

Videüberwachung

Fristen nicht wahrnehmen wegen Krankheit – geht das?

Vor dem Bundesgericht erschien die Steuerverwaltung des Kanton Genfs und ein Steuerpflichtiger. Bei der Verhandlung ging um die Wiederherstellung einer Beschwerdefrist, die der Steuerpflichtige nicht wahrgenommen hatte.

Der Steuerpflichtige war aufgrund von einer psychischen Krankheit nicht in der Lage, seine Angelegenheiten zu regeln und verpasste eine Beschwerdefrist. Der Arzt bestätigte, dass er unverschuldet an der Ausführung seiner Geschäfte verhindert war.

Der Treuhänder des Steuerpflichtigen war als Vertreter des Steuerpflichtigen auf der Steuererklärung auf der ersten Seite genannt. Er verfügte aber nicht explizit über eine Vollmacht. Dem Bundesgericht war bereits die Nennung des Treuhänders als genügend, so dass der Treuhänder im Namen seines Klienten hätte tätig werden können. Dieser hat es aber verpasst, die Beschwerdefrist wahrzunehmen und Einsprache zu erheben. Das Bundesgericht lehnte die Wiederherstellung der Frist ab.

Der Steuerpflichtige muss sich die Untätigkeit seines Vertreters, des Treuhänders anrechnen lassen (Quelle: BGE 2C_737/2018 vom 20.6.2019).


Neuer Bundesgerichtsentscheid zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Das Bundesgericht hatte zu entscheiden, ob polizeilich angeordnete Videoaufnahmen in den Geschäftsräumen eines Unternehmens als Beweise verwertbar sind. Der Geschäftsführer hatte wegen Verdachts auf Diebstahl Strafanzeige gegen unbekannt erstattet. Die Kantonspolizei Solothurn installierte im Unternehmen daraufhin Kameras, die während rund fünf Wochen ein Büro mit Küche, wo sich ein Tresor befand, überwachten. Kundenbereiche wurden nicht überwacht. Die Aufnahmen wurden mit der Einwilligung der Geschäftsführer, aber ohne Wissen der aufgenommenen Mitarbeitenden vorgenommen.

Bei der Streitfrage ging es darum, ob eine polizeilich angeordnete Überwachung in die Grundrechte eingreift. Ein solcher Eingriff wäre von der Staatsanwaltschaftzu bewilligen, was hier nicht der Fall war. In der Folge entschied das Gericht, dass die Videoüberwachung nicht verwertbar sei, weil sie nur von der Polizei angeordnet war und Bewilligung von der Staatsanwaltschaft fehlte.

Das Bundesgericht wies in seinem Urteil auf die Unterschiede zu einer privatrechtlichen Überwachung hin. In drei Fällen wurden die Überwachungen ohne Wissen der Mitarbeitenden zugelassen mit den folgenden Begründungen:

  • falls die Videoüberwachung nicht das Verhalten des Arbeitnehmers umfasst, sondern nur die Kasse gefilmt wird, an der sich die Mitarbeitenden sporadisch und kurzzeitig aufhalten
  • die Videoüberwachung des Kassenraums bezweckt die Verhinderung von Straftaten durch Dritte, weshalb ein Geschäftsinhaber ein erhebliches Interesse an einer Überwachung hat. Unter diesen Umständen werden die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer gemäss Bundesgericht nicht widerrechtlich verletzt
  • die Videoüberwachungen beeinträchtigen die Gesundheit der Arbeitnehmenden nicht.

(Quelle: BGE 6B_181/2018 vom 20.12.2018)


Feuerwehreinsatz-Kosten bezahlt der Grundeigentümer

In Rapperswil-Jona stürzten während eines Unwetters morsche Bäume eines privaten Grundstücks auf die Strasse. Die örtliche Feuerwehr rückte aus, zerkleinerte die Bäume und befreite die Strasse vom Holz.

Die Rechnung von CHF 680 von der Feuerwehr erhielt der Grundeigentümer des Grundstücks. Er war damit nicht einverstanden, da seiner Meinung die Gemeinde für den Strassenunterhalt zuständig sei.

Das Bundesgericht entschied schlussendlich, dass aufgrund der Gesetzesformulierung es sich hier um Sicherungs- und Behebungsmassnahmen gehandelt hat. Diese seien im Unterschied zu Elementarschadenfällen kostenpflichtig (Quelle: BGE 2C_560/2019 vom 22.8.19).


Neue Regelung für den Kinderabzug bei der Bundessteuer

Der Kinderabzug für volljährige Kinder in Ausbildung wurde bislang in dem Jahr, in dem das Kind volljährig wurde, unterschiedlich gehandhabt. Das Bundesgericht schafft nun Klarheit.

Es entschied sich für eine «pro-rata-temporis»-Lösung. Die Richter urteilten, dass das bestehende Gesetz eine Lücke aufweist und wie folgt geschlossen wird: Bis zum Tag der Volljährigkeit des Kindes hat der Alimenten empfangende Elternteil Anspruch auf den anteiligen Kinderabzug (xx/365), ab diesem Tag hingegen der Alimenten leistende Elternteil. Dies aber nur unter der Voraussetzung, dass die während des ganzen Jahres geleisteten Alimente den Betrag von CHF 6‘500 übersteigen.

Die vom Bundesgericht getroffene Lösung gilt per sofort für alle noch nicht veranlagten Fälle. Die Kantone werden wahrscheinlich diese Lösung übernehmen(Quelle: BGE 2C_905/2018 vom 11.3.2019).


Klimaschutz und Mehrwertsteuer: ein neues Bundesgerichtsurteil

Das Bundesgericht hat ein Urteil zu den Emissionsminderungs-zertifikaten gefällt:

Der Umsatz aus dem Verkauf der Typen CER und VER ist nicht mehr ein ausgenommener Umsatz.

Der Verkaufdieser Typen an inländische Gegenparteien führt neu zu steuerbarem Umsatz. Der Verkauf an eine ausländische Gegenpartei führt neu zu befreitem Umsatz.

Der Kaufder Typen CER und VER von ausländischen Gegenparteien an eine inländische Gegenpartei führt neu zu Bezugsteuer.

Die Mehrwertsteuer-Info wird dementsprechend angepasst. Für die Vergangenheit besteht kein Handlungsbedarf (Quelle: BGE 2C_488/2017 vom 9.4.2019).


Auf die Verjährung kann bei Darlehen nicht verzichtet werden

Zum Zeitpunkt eines Darlehen-Vertragsabschlusses kann die Verjährung der Schuld nicht wegbedungen werden.

Gültig ist aber eine vertragliche Vereinbarung mit einem Verjährungsverzicht, sobald eine Forderung fällig ist.

Bei kündbaren Forderungen wie bei Darlehen beginnt die Verjährung mit dem Tag, auf den eine Kündigung möglich ist. Das ist bei unbefristeten Darlehen sechs Wochen nach dem Abschluss, sofern im Vertrag nichts anderes abgemacht wurde. Ab diesem Zeitpunkt kann vereinbart werden, dass die Verjährung des Darlehens nicht geltend gemacht wird. Ein solcher Verzicht kann jeweils für maximal zehn Jahre erfolgen (Quelle: aus der Praxis).


Entschädigung im Rahmen eines Konkubinats sind nicht steuerbar

Freiwillige Unterhaltsbeiträge für den Konkubinatspartner, wie zum Beispiel eine Entschädigung für die Haushaltsführung sind weder als Einkommen zu versteuern noch abzugsfähig (Quelle: Art. 23 Bst. f DBG).


Orts- oder quartierübliche Mietzinse: wie wird verglichen?

Einige Mieter klagen vor Gericht auf eine Mietzinsherabsetzung basierend auf «orts- und quartierübliche Mietzinse». Welche Bedingungen müssen dafür vor Gericht erfüllt sein?

Solange genügend detaillierte amtliche Statistiken fehlen, müssen die ortsüblichen Mietzinse anhand von mindestens fünf Vergleichsobjektenermittelt werden. Angesichts der geringen Zahl gilt für die Vergleichbarkeit ein strenger Massstab. Abweichungen können nicht in einer Gesamtwertung gewichtet werden.

Private Statistiken und Inserate über Mietangebote sind keine tauglichen Beweismittel. Erforderlich ist der strikte Beweis. Die einfache Untersuchungsmaxime verpflichtet den Richter nicht, von sich aus Nachforschungen anzustellen (Quelle: BGE 4A_170/2015 vom 16.12.2015).