Regelmässig tauchen Klagen über Boni und Gratifikationen vor Bundesgericht auf. Wir zeigen auf, was der Unterschied ist und welche die drei verschiedenen Bedeutungen des Bonus sind.

Das Thema Corona-Krise beschäftigt uns natürlich weiterhin. Viele rechtliche Fragen sind in der aktuellen Situation offen. Unter anderem müssen Vertragsabschlüsse neu beurteilt werden. Kann man Grundlagenirrtum geltend machenin der aktuellen Krise?

Gelten sinkende Referenzzinssätze auch für Parkplätze? Wir erläutern, ob eine Mietzinsreduktion bei Senkung des Referenz­zins­satz auch für Mieter eines Parkplatzes gilt.

Dies und vieles mehr in unserer Mai-Ausgabe. Viel Spass beim Durchlesen.

Bonus Gratifikation

Grundlagenirrtum geltend machen in der Corona-Krise?

Viele rechtliche Fragen sind in der aktuellen Situation offen. Nicht nur Miet- und Arbeitsverhältnisse werfen Fragen auf, auch eine Vielzahl von weiteren Vertragsabschlüssen müssen neu beurteilt werden. Sind Verträge überhaupt noch gültig? 

Gemäss Obligationenrecht ist ein Vertrag für denjenigen unverbindlich, der sich beim Vertragsschluss in einem wesentlichen Irrtum befand, einem sog. Grundlagenirrtum. Wesentlich ist ein Irrtum, wenn er einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde. Ein Irrtum kann sich gemäss Bundesgericht auch auf eine zukünftige Tatsache beziehen. Dies gilt aber nur, wenn diese Tatsache im Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv als sicher angesehen werden konnte. Auch muss der Gegenpartei nach Treu und Glauben klar sein, dass die Sicherheit des Eintrittes des zukünftigen Ereignisses für die andere Partei Vertragsvoraussetzung war.

Zweifellos war die Corona-Krise so nicht voraussehbar gewesen. Und die meisten Vertragsparteien gingen nach Treu und Glauben von offenen Grenzen, Reisefreiheit und dem Nichtvorliegen von behördlichen Verboten aus. Um nun einen Grundlagenirrtum bei einem Vertrag geltend zu machen, muss der Irrtum innert Jahresfrist ab Entdeckung beim Vertragspartner geltend gemacht werden. Damit fällt der Vertrag mit Geltendmachung des Irrtums rückwirkend auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses dahin und es gilt das Vertragsverhältnis rückabzuwickeln. Bei Dauerschuldverhältnissen fällt der Vertrag auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des Irrtums dahin (Quelle: Art. 97 und 119 OR sowie aktuelle Praxis).


Rechnungen für die Unternehmensabgabe Radio TV an Unternehmen

Die Eidg. Steuerverwaltung verschickt die Jahresrechnung für Radio und TV zwischen Februar und Oktober, sobald alle Umsatzdaten des Bemessungsjahres vorliegen. Die Abgabe wird 60 Tage nach Rechnungstellung zur Zahlung fällig. Die jährliche Abgabe für Unternehmen basiert auf den festgelegten Tarifstufen und zwar auch dann, wenn das Unternehmen im Verlauf des Jahres, für welches die Abgabe erhoben wird, aus dem MWST-Register gelöscht wird. Dafür erhalten Unternehmen, die sich neu ins MWST-Register eintragen, in dem Jahr keine Rechnung.

Falls Ihr Unternehmen Zugang zu EST Suisse Tax und den Bereich Unternehmensabgabe RTV freigeschaltet hat, erhalten Sie die Rechnung online, andernfalls auf dem Postweg (Quelle: Eidg. Steuerverwaltung).


Die Fälligkeit ist der Zeitpunkt der Abzugsfähigkeit von Aus- und Weiterbildungen

Massgebend für den Zeitpunkt der Abzugsfähigkeit der berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten ist die Fälligkeit der Rechnung des Bildungsinstituts bzw. die Zahlung und nicht der Kursbesuch (Quelle: aus der steuerlichen Praxis).


Ausgleichskasse wird vom Bundesgericht korrigiert 

Ein Steuerpflichtiger hatte seit Jahren keine Steuererklärungen eingereicht. Das Steueramt schätzte sein Einkommen auf CHF 150’000 als selbständiger Unternehmer ein. In der Folge verlangte die Ausgleichskasse CHF 18’000 AHV-Beiträge.

Obwohl der Steuerpflichtige der Ausgleichskasse mehrmals seinen Lohnausweis einschickte und beweisen wollte, dass er in der Zwischenzeit unselbständig erwerbend sei, beharrte die Ausgleichskasse auf dem Betrag. Sie insistierte, dass sie gesetzlich verpflichtet sei, auf dem Betrag, den ihr die Steuerverwaltung gemeldet hatte, AHV-Beiträge zu verlangen, ohne dies zu prüfen.
Alle Revisionsgesuche bei Steuerverwaltung und Ausgleichskasse und sogar die Beschwerde beim Verwaltungsgericht war erfolglos. Erst das Bundesgericht entschied im Sinne des gesunden Menschenverstandes: Was die Steuerverwaltung gemeldet hatte, widersprach dermassen eindeutig dem, was der Steuerpflichtige bei der Ausgleichkasse gezeigt hatte, dass sie unbedingt hätte Abklärungen machen müssen, bevor sie verfügte. Das Bundesgericht spricht von einer «bewussten und willkürlichen Falscheinschätzung». Die AHV-Verfügung der Ausgleichskasse war damit nichtig (Quelle: BGE 9c_329/2019 vom 17.10.2019).


Gelten sinkende Referenzzinssätze auch für Parkplätze?

Herabsetzungsbegehren von Mietern von Parkplätzen wegen sinkender Referenzzinssätze muss nicht nachgegeben werden. Die gesetzlichen Vorschriften zum Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen gelten nur für Wohn- und Geschäftsräume. Sinkt der Referenzzinssatz, haben Mieter einer Garagenbox, eines Aussenparkplatzes oder eines Einstellhallenplatzes also keine Mietzinsreduktion zugut. Anspruch auf eine Mietzinssenkung für einen Einstellplatz hat nur, wer diesen zusammen mit einer Wohnung, einem Haus oder einem Geschäftsraum vom gleichen Vermieter mietet (Quelle: aus der angewandten Praxis). ​


Bonus oder Gratifikation – was gilt wann?

Regelmässig tauchen Klagen über Boni und Gratifikationen vor Bundesgericht auf. In seinem neuesten Entscheid äusserte sich das Gericht nochmals präzise dazu.

Grundsätzlich unterscheidet das Gericht drei verschiedene Bedeutungen des Bonus:

  1. Gratifikation, auf die der Mitarbeitende einen Anspruch hat
  2. Variabler Lohn
  3. Gratifikation, auf die der Arbeitnehmer keinen Anspruch hat: Dabei führte das Bundesgericht aus, dass eine Umqualifizierung des Bonus in Lohn möglich ist. Dies kommt aber nur in Frage, wenn der Bonus im Vergleich zum festen Grundsalär einen hauptsächlichen Charakter aufweist. Dies kommt nur bei tiefen, mittleren oder höheren Einkommen, aber nicht bei sehr hohen Einkommen zur Anwendung.

Damit der Bonus den Charakter einer Sondervergütung hat, muss er gegenüber dem Lohn nebensächlich bleiben und darf im Rahmen der Entschädigung nur eine zweitrangige Bedeutung einnehmen. Es soll so dem Arbeitgeber verwehrt sein, die eigentliche Vergütung des Arbeitnehmers in Form einer (freiwilligen) Gratifikation auszurichten.

Es gilt folgendes:

  • Der Bonus als Gratifikation wird nur dann als Lohnbestandteil behandelt, wenn der Bonus im Vergleich zum festen Grundsalär keinen nebensächlichen Charakter mehr aufweist.
  • Wird eine freiwillige Gratifikation während drei aufeinanderfolgenden Jahren vorbehaltslos ausgerichtet, dann wird diese Sondervergütung in eine Gratifikation umgedeutet, auf die Anspruch besteht.

(Quelle: BGE 4A_230/2019 vom 20.9.2019).


Coronavirus: Befristete Änderung der Verordnung über die elektronische Signatur

Der Bundesrat hat am 1. April 2020 eine befristete Änderung der Verordnung über die elektronische Signatur beschlossen. Sie sieht eine allgemeine Möglichkeit der Videoidentifikation bei der Ausstellung von Zertifikaten vor.

Bereits heute sind Videoidentifikationen erlaubt, jedoch nur im Finanzsektor. Neu kann die Videoidentifikation für alle Branchen für die Ausstellung von Zertifikaten angewendet werden. Diese Regelung ist auf sechs Monate befristet. Sollte die Lage sich vor Ablauf der Geltungsdauer von sechs Monaten entspannen, wird der Bundesrat die Bestimmung früher aufheben. Die betreffenden Zertifikate würden dann vorzeitig widerrufen. Sie könnten auf dem ordentlichen Weg verlängert oder ersetzt werden. Während der Gültigkeitsdauer gesetzte elektronische Signaturen bleiben hingegen unbefristet gültig (Quelle: Link).


Und zum Schluss noch was zum Schmunzeln in dieser Zeit:

Das Wesen der Wurst beschäftigt das Gericht

Ein Mann biss in einen grillierten Cervelat. Die Wurst war «unerwartet heiss», sodass der Zahnschmelz als Folge Schaden nahm. Die Suva verweigerte die Bezahlung der Zahnarztrechnung, da kein Unfall vorliege. Das Kantonsgericht Zug bestätigte den Entscheid. Ein Unfall liege nur bei einem ungewöhnlichen Ereignis vor – etwa wenn man beim Essen einen Knochen verschlucke oder unerwartet auf einen Stein beisse. Zum «Wesen einer Grillwurst» gehöre es, heiss zu sein. Daran sei nichts Ungewöhnliches (Quelle: Verwaltungsgericht Zug, Urteil S 2019 46 vom 4. Juli 2019).​