Hat der Kunde bei einer Internet- oder Telefonpanne einen Anspruch auf eine Schadenersatz-Zahlung?
Verlustvorträge aus selbständiger Erwerbstätigkeit sind nicht vererblich. Lesen Sie dazu die Erklärung des Bundesgerichtes in diesem Newsletter.
Schreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung sind immer genau zu prüfen. Ein Fall aus der Praxis zeigt auf, dass ein Unternehmen wegen fehlerhaft mitgeteilter Information der Steuerverwaltung Klage einreichte, das Gericht diese jedoch nicht guthiess. Diese Praxis ist neu.
Dies und vieles mehr in unserer Februar-Ausgabe. Viel Spass beim Durchlesen.
Jedes Schreiben der Eidg. Steuerverwaltung ist genau zu prüfen
Das Bundesverwaltungsgericht fällte im August 2018 ein Urteil, wonach die steuerpflichtigen Unternehmen nicht nur für die vollständige und korrekte Mehrwertsteuerabrechnung verantwortlich sind, sondern neu auch für fehlerhafte Schreiben der Eidg. Steuerverwaltung.
Konkret ging es um das Schreiben der Steuerverwaltung mit einem falschen Saldosteuersatz (SSS) an ein Unternehmen, das basierend darauf seine Mehrwertsteuer abrechnete.
Im Schreiben an das Unternehmen wurde mitgeteilt, dass «auf Basis der uns zur Verfügung stehenden Unterlagen (Stand 11. Dezember 2009) haben wir für Ihr Unternehmen den neuen Saldosteuersatz wie folgt eingeteilt:
- Ihr bisheriger SSS bzw. ihre bisherigen SSS: 3,5%
- Ihr neuer SSS bzw. ihre neuen SSS: 1,2%.
Dem Schreiben konnte nicht entnommen werden, welcher Tätigkeit das Unternehmen neu zugeteilt wurde und es fehlte eine Begründung der Neuzuteilung. Im Schreiben hielt die Steuerverwaltung fest, dass sie nicht immer in der Lage sei, eine eindeutige Zuteilung vorzunehmen, weshalb die mitgeteilte Zuteilung Fehler enthalten könne und der Empfänger wurde aufgefordert, die Zuteilung mit Hilfe der beigelegten Verordnung zu prüfen. Das Unternehmen rechnete nach dem Schreiben die Mehrwertsteuer mit dem SSS 1.2% ab.
Die Steuerverwaltung verlangte nach einer Prüfung die Differenz von CHF 50’000 als Nachbelastung zurück. Dagegen erhob das Unternehmen Einspruch.
Das Gericht begründete seinen Entscheid zugunsten der Steuerverwaltung damit, dass das Schreiben nur ein Informationsschreiben sei, das die Steuerpflichtigen darauf aufmerksam machen soll, dass mit der Einführung des totalrevidierten MWSTG zum Teil neue SSS festgelegt worden sind und einzelne Steuerpflichtige per 2010 möglicherweise nach neuen SSS abzurechnen haben. Weil die ESTV das Schreiben vom Dezember 2009 ausdrücklich unter Vorbehalt gestellt hat, kann es nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht eine Vertrauensgrundlage bilden.
Fazit: Jedes Schreiben der Eidg. Steuerverwaltung muss neu auf dessen Richtigkeit durch den Steuerpflichtigen geprüft werden(Quelle: BGE A-2323/2018 vom 13.8.2018).
Wann muss ein Einzelunternehmen ins Handelsregister eingetragen werden?
Einzelunternehmen müssen sich ins Handelsregister eintragen, wenn der Umsatz grösser als CHF 100’000 ist und sie einem kaufmännischen Gewerbe nachgehen. Nicht eintragspflichtig sind die sog. Freien Berufe wie Ärzte usw.
Verletzt ein Unternehmer die Eintragungspflicht, muss er mit einer Busse rechnen und muss für den Schaden, den er verursacht hat, aufkommen.
Einzelunternehmen müssen regelmässig prüfen, ob sie sich nicht eintragen müssen. Falls sie bereits einen Handelsregistereintrag haben, sind mögliche Änderungen umgehend dem Amt zu melden (Quelle: Handelsregisterverordnung).
Freistellungen sind nicht widerrufbar
Ein Anlageberater kündigte unter Einhaltung der sechsmonatigen Frist seinen Arbeitsvertrag. Sein Vorgesetzter schickte ihn daraufhin nach Hause und nahm ihm Badge, Mobiltelefon und Laptop ab. Seine geschäftlichen E-Mails wurden an den Vorgesetzten weitergeleitet und er informierte die übrigen Mitarbeiter, dass sie nun seine Kunden betreuen müssten.
Nach einem Monat forderte der Vorgesetzte den Anlageberater auf, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist wieder zu arbeiten. Dieser lehnte ab und klagte beim Arbeitsgericht Zürich. Er bekam Recht, da er von einer unwiderruflichen Freistellung ausgehen konnte (Quelle: Arbeitsgericht Zürich, AH 14190 vom 14. Juni 2016).
Übermässige Bindung von Aktionärsbindungsverträgen
Das Bundesgericht hatte eine Klage eines Aktionärs zu beurteilen, der sich mit seinem Aktionärsbindungsvertrag übermässig gebunden fühlte.
Aktionärsbindungsverträge verpflichten die Aktionäre untereinander. Themen wie Stimmbindung, Beteiligungsverhältnisse, Übertragungsregeln und Ausschüttungspolitik werden darin bestimmt. Oft sind ältere Aktionärsbindungsverträge auf unbefristete Dauer und unkündbar formuliert, was die Frage nach einer übermässigen Bindung des Vertrags aufwirft.
Das Bundesgericht betonte, dass ein Verstoss gegen die übermässige Bindung eines Vertrages nur sehr zurückhaltend anzunehmen sei. Denn ein Vertrag sei nur dann übermässig bindend, wenn sie den Verpflichteten
- der Willkür eines anderen ausliefere
- seine wirtschaftliche Freiheit aufhebe oder
- in einem Masse einschränke, dass die Grundlagen seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet seien.
Eine unbefristete oder sehr lange Vertragsbindung sei durchaus erlaubt, wenn sie mit der Aktionärseigenschaft untrennbar verknüpft sei und diese zu gängigen Bedingungen aufgegeben werden könne, wie zum Beispiel der Verkauf der eigenen Aktien zu einem fairen Preis.
Im konkreten Fall verpflichtete die Aktiengesellschaft des Klägers das Unternehmen zu Ausschüttungen an nicht operativ tätige Aktionäre in überhöhtem Masse. Damit erschwerte der Aktionär der «alten» Generation eine Geschäftsübernahme und die Nachfolgereglung. Der Vertrag schränke die Freiheiten übermässig ein, fand das Bundesgericht und erklärte, dass der Vertrag per sofort ungültig sei (Quelle: BGE 4A_45/2017 vom 27.6.2017).
Digitale Signatur weiterhin nötig
In der Schweiz ist das Anbringen einer elektronischen Signatur auf elektronischen Rechnungen aufgrund der Beweismittelfreiheit im Mehrwertsteuerrecht nicht mehr zwingend notwendig. Das heisst, dass Rechnungs-Belege digital archiviert und die Originale vernichtet werden können.
Gemäss einem Bundesgerichtsentscheid von 2004 kann aber aus dem Ergebnis, dass eine Buchhaltung bei der Mehrwertsteuerprüfung für ordentlich befunden wurde, nicht abgeleitet werden, dass die direkte Bundessteuer auch diese Meinung vertreten muss. Das bedeutet, dass andere Ämter wie Steuerbehörden oder Sozialversicherungen nicht die gleiche offene Meinung bezüglich elektronischer Archivierung vertreten müssen wie die MwSt–Behörde.
Die Geschäftsbücher-Verordnung verlangt weiterhin eine digitale Signatur, was die elektronische Archivierung von Belegen erschwert. Ein Gerichtsentscheid oder eine neue Verordnung fehlt bis anhin (Quelle: aus der Praxis).
Kein Schadenersatz bei Internet- und Telefonpannen
Es kommt immer wieder vor, dass es Unterbrüche im Telefonnetz oder bei der Internetverbindung gibt. Letztes Jahr hatten Tausende von Kunden unter den Unterbrüchen der Swisscom wegen eines Software-Fehlers zu leiden.
Sowohl der Stände- als auch der Nationalrat haben entschieden, dass für diese Störungen die Anbieter nicht zu Schadenersatz-Zahlungen verpflichtet werden und sie die Kunden nicht entschädigen müssen. Eine Entschuldigung reiche (Quelle: aus der Praxis).
Keine Vererbung von Verlustvorträgen aus selbständiger Erwerbstätigkeit des Erblassers
Das Bundesgericht entschied, dass Verlustvorträge aus der selbständigen Erwerbstätigkeit des Erblassers nicht vererblich sind. Führt der Erbe die Selbständigkeit weiter, so gehen die Verlustvorträge nicht auf den die Erwerbstätigkeit weiterführenden Erben über.
Das Bundesgericht argumentierte, dass die Verlustvorträge nicht am (Personen-) Unternehmen anknüpfen würden, sondern grundsätzlich mit der Person des eine solche Tätigkeit ausübenden Steuerpflichtigen verbunden seien.
Entsprechend hänge der Verlustvortrag mit dem Status des selbständig Erwerbenden und nicht mit dem Unternehmen zusammen (Quelle: BGer 2C_986/ 2017 vom 28.06.2018).
Ärzte und andere Heilberufe von der Mehrwertsteuer ausgenommen
Unternehmen, deren Umsatz im Jahr CHF 100’000 übersteigt, sind mehrwertsteuerpflichtig. Ausgenommen davon sind Ärzte und anderen Angehörige ähnlicher Heil- und Pflegeberufe der Humanmedizin, sofern sie über eine Berufsausübungsbewilligung verfügen.
An das Bundesgericht gelangte eine Osteopathin aus dem Kanton Zürich, die die Rückerstattung ihrer Mehrwertsteuer verlangte. Strittig war, ob sie über die geforderte Berufsausübungsbewilligung verfügte. Das Bundesgericht stellte fest, dass die selbständige Tätigkeit als Osteopath im Kanton Zürich keiner Bewilligungspflicht unterliegt. Da jedoch der Kanton Zürich die Ausdehnung der Bewilligungspflicht auf Berufsleute im Bereich der Komplementärmedizin erlaubt, gab das Bundesgericht der Klägerin Recht und wies die Steuerbehörde an, die Mehrwersteuerbeträge zurückzubezahlen(Quelle: BGer 2C_476/2017 vom 21. August 2018).
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